Dienstag, 26. Juni 2018

Stilles Ertrinken bei Kindern: Interview mit Dirk Bohner von der DLRG

Stilles Ertrinken bei Kindern: Interview mit Dirk Bohner von der DLRG. Auf Küstenkidsunterwegs erfahrt Ihr, was es mit dem "stillen" und dem "sekundären" Ertrinken zu tun hat und was Ihr tun könnt, um als Eltern Eure Kinder vor dieser Gefahr zu schützen.
 
Moin, Ihr Lieben!
 
Es ist Sommer und die Badesaison hat begonnen! Doch so schön es an Küste und Meer ist: Einer Gefahr sollte man sich, gerade als Eltern, immer bewusst sein, und zwar der des so genannten "Stillen Ertrinkens".
 
Denn Ertrinken läuft meist ganz anders ab, als wir es aus TV und Medien kennen: Still, unauffällig und - tragischer Weise - unbemerkt, oft auch neben anderen Personen, die eingreifen und den Ertrinkenden retten könnten, wenn sie nur wüssten, was geschieht und wie sie helfen können. Das passiert gerade bei Kindern häufiger, als man vielleicht denkt.
 
Deshalb habe ich im Interview Dirk Bohner, den stellvertretenden Vorsitzenden der DLRG in Kiel zu diesem wichtigen Thema befragt. Er erzählt Euch heute, warum die Gefahr des stillen Ertrinkens eine ganz reale ist, und wie Ihr als Eltern auf Eure Kinder achten könnt, damit Euch dieses folgenschwere Unglück nicht passiert:
 
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Stilles Ertrinken bei Kindern: Interview mit Dirk Bohner von der DLRG. Auf Küstenkidsunterwegs erhaltet Ihr wichtige Informationen und Tipps, wie Ihr Eure Kinder vor dem Ertrinken schützt und Euch an Badessen und Meer richtig verhaltet.

 Stilles Ertrinken bei Kindern: Interview mit Dirk Bohner von der DLRG

Moin, lieber Herr Bohner, vielen Dank, dass ich Sie zu dem wichtigen Thema „Stilles Ertrinken bei Kindern" und der Arbeit der DLRG interviewen darf! Würden Sie sich einmal vorstellen? Wer sind Sie und wie sieht die Arbeit der DLRG, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. aus?

Moin, mein Name ist Dirk Bohner und ich bin stellvertretender Vorsitzender der DLRG Kiel e.V.. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft ist eine selbstständige, gemeinnützige Wasserrettungsorganisation mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. Unsere Hauptaufgabe ist die Anfänger-, Jugend- und Rettungsschwimmausbildung, sowie der Wasserrettungsdienst an Badeseen und Nord- und Ostsee. Die DLRG ist aber auch je nach Region im Sanitätswesen und im Katastrophenschutz aktiv. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Jugendarbeit.

Warum ist Wasserrettung auch heute, wo viele Kinder früh schwimmen lernen, ein wichtiges Thema?

Bedingt durch das „Schwimmbadsterben" ist die Zahl der Kinder, die schwimmen können, stark zurückgegangen. Eine durch die DLRG in Auftrag gegebene repräsentative Forsa-Umfrage hat ergeben, dass 59 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer sind. Des Weiteren lauern im Wasser viele Gefahren, die selbst gute Schwimmer in Bedrängnis kommen lassen.

Wie sieht denn Ertrinken bzw. ein Ertrinkender aus? Auf welche Anzeichen muss ich achten?

Ertrinkende Menschen zu erkennen muss geübt sein. In eher wenigen Fällen rufen die in Notgeratenen um Hilfe und winken dabei, so wie es oft in Fernsehserien gezeigt wird. Meistens sind die Hilfesuchenden mit sich und der Situation so beschäftigt, dass keine Kraft für großartige Signale bleibt. Anzeichen für Ertrinkende erkennt man häufig nur durch Beobachten. Ein geübter Rettungsschwimmer erkennt einen unsicheren Schwimmstil oder auffällige Verhaltensweisen beim Luftholen.

Und was muss ich dann tun, wenn jemand z.B. mit dem Kopf im Wasser liegt, die Arme zur Seite ausgestreckt hat, still auf dem Wasser treibt oder sich nicht bewegt; wie reagiere ich am besten?

Sofern ein Turm mit Wasserrettern in der Nähe ist, sollten Sie diese informieren. Wenn dieses nicht der Fall ist, sollte der Notruf gewählt werden. Gefährlich kann es werden, wenn man alleine ohne Rettungsmittel versucht, jemanden zu retten. Hierfür ist eine gute Selbsteinschätzung notwendig. Kein Rettungsschwimmer würde eine Wasserrettung beginnen, ohne dass eine andere Person zur Unterstützung und zur Alarmierung weiterer Kräfte dabei ist.

Warum sind Babys und Kinder hier besonders gefährdet? Baden gerade kleine Kinder nicht ohnehin immer in der Nähe ihrer Eltern?

Babys und Kleinkinder sind insbesondere in gewohnter Umgebung stark gefährdet. Ein Gartenteich oder ein kleiner Tümpel sind unterschätzte Gefahren. Am Strand musste ich oft beobachten, dass die Kinder am Wassersaum spielen und Burgen bauen. Die Eltern wurden oft nachlässig oder schliefen ein. Zum Glück endeten in meiner Vergangenheit diese Situationen mit einer Suche und späteren Finden der Kinder oder der Eltern am Nachbarstrand.

Ich habe gelesen, dass es nicht nur das „stille" Ertrinken gibt, sondern auch das so genannte „sekundäre" Ertrinken gibt. Was ist das denn?

Das „stille" Ertrinken ist wie anfangs schon erläutert ein Ertrinken, welches von anderen schwer zu erkennen ist. Es gibt Situationen, wo Freunde oder Familie neben jemanden schwimmen und nicht erkennen, dass jemand aus ihrem Kreis ein richtiges Problem hat.

Beim „sekundären" Ertrinken hat der Patient schon Wasser geschluckt bzw. eingeatmet. Es handelt sich hierbei um ein durch die Situation verursachtes Lungenödem. Dieser kann bis zu 24 Stunden später zum Tod führen.

Und was muss ich dann machen?

Jeder aus einer lebensgefährlichen Situation gerettete Schwimmer sollte zeitnah(!) bei einem Arzt vorstellig werden. Nur dieser kann ein solches Lungenödem erkennen.

Welche Wasser- oder Badesituationen sind denn besonders gefährlich? Was sollte ich vermeiden?

Strömungen sind die Gefahrenquelle Nummer eins. Bei Strömungen sollte man nicht versuchen, gegen an zu schwimmen, sondern mit dem Strom raus oder seitlich aus dem Strom raus zu kommen. Verschiedene Temperaturschichten sind häufig Ursache von Problemen mit dem Herz-Kreislaufsystem.

Gilt das sowohl am Badesee als auch an der Nord- und Ostsee? Oder gibt es da echte Unterschiede?

Unterströmungen (Ripströmungen) und Querströmungen treten hauptsächlich an Nord- und Ostsee auf. Die Temperaturschichten sind häufig an Seen die Ursache für Badeunfälle.

Worauf muss ich als Mutter oder Vater bzw. Betreuungsperson besonders achten, wenn ich mit Kindern am Strand bzw. am Wasser bin?

Am besten sollten Sie an Bereichen schwimmen gehen, die durch eine Wasserrettungsorganisation wie die DLRG abgesichert sind und in der Nähe der Wachtürme bleiben. Achten Sie auf Flaggen und Hinweistafeln. Eine gelbe oder rote Flagge ist ein Zeichen dafür, dass eine oder mehrere Gefahren lauern. Im Zweifel fragen Sie einen der Rettungsschwimmer.

Seien Sie vorsichtig mit Schwimmhilfen und Schlauchbooten. Bei ablandigem Wind können diese „Spielereien" schnell gefährlich werden.

Achten Sie bitte zudem auf den Sonnenschutz der Haut und auf dem Kopf.

Und was kann ich als Elternteil generell tun, um meine Kinder „fit für’s Wasser" zu machen bzw. ihnen das richtige Verhalten an Küste und Meer beizubringen?

Achten Sie darauf, dass Ihr Kind vernünftig schwimmen gelernt hat. Das Schwimmabzeichen in Bronze und besser in Silber ist eine gute Voraussetzung. Ein Seepferdchenabzeichen ist nicht ausreichend. Bei Bronze und Silber werden durch Abfrage der Baderegeln einige wichtige Verhaltensweisen und Gefahren gelehrt.

Und welche Möglichkeiten haben Kinder und Jugendliche bzw. Eltern bei Ihnen, bei der DLRG?

Wir bieten von Anfängerschwimmen bis zur Ausbildung von Rettungsschwimmern für jeden etwas. Auch Eltern, die möglicherweise nicht so die Wasserratten sind, können wir gut unterbringen. Die DLRG führt beispielhaft Rettungsschwimmwettkämpfe durch, bei denen immer Kampfrichter gebraucht werden. Öffentlichkeitsarbeit, Kindergartenteamer oder Jugendbetreuer sind weitere Bereiche, für die keiner schwimmen können muss. Für Jugendliche bieten wir neben Schwimmausbildung auch viel Freizeitprogramm abseits der Schwimmhalle an. Viele DLRG- Ortsvereine bereiten ihre Jugendlichen durch ein Jugend-Einsatz-Team auf die Wache am Strand oder die Absicherung auf einem Boot bei einer Segel- oder Surfregatta vor.

Wenn Sie einen Wunsch an alle Eltern und Kinder, an alle Badenden hätten, was wäre das?

Alle sollten sich der Gefahr des Wassers bewusst sein und sich an die wenigen Regeln halten, die es dort gibt.

Vielen Dank, Dirk Bohner, für das Interview und all die Informationen, das ist sehr hilfreich!

 ***
Ihr Lieben, ich hoffe, dieser Artikel hilft Euch weiter! Ich drücke Euch ganz fest die Daumen, dass Ihr nie in eine Situation kommt, in der Ihr selbst oder Eure Kinder vom Ertrinken bedroht seid.
 
Doch wenn Euch irgendetwas im Wasser bzw. beim Baden merkwürdig vorkommen sollte oder eine Person sich sonderbar verhält, sprecht ihn oder sie lieber an, helft lieber einmal zu viel als zu wenig. Behaltet Eure Kinder immer im Auge, auch wenn sie "nur" planschen. Das gilt auch, wenn Ihr mit größeren Kids oder Erwachsenen unterwegs seid: Passt gut aufeinander auf und achtet besonders darauf, ob jemand im Wasser neben Euch gerade still wird!
 
Ahoi und einen schönen Bade-Sommer!
 
Eure Küstenmami
 
 
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6 Kommentare :

  1. Liebe Katja,

    vielen Dank für das Interview! Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Ertrinken eben NICHT so vor sich geht, wie im Fernsehen! Und schon ein Planschbecken eine Gefahrenquelle ist. Wichtig ist aber auch, zum Beispiel schwimmenden Kindern (und Erwachsenen) zu erklären, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie zum Beispiel von der Strömung mitgenommen werden, was ja auch erwähnt wird.

    Mange tak igen!

    Herzlichen Gruß aus dem Land mit unendlich viel Küste :-),

    Iris

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    1. Ja, da hast du recht, auch bei Kindern im Planschbecken muss man immer gut aufpassen!

      Ganz liebe Grüße nach Dänemark
      Deine Küstenmami

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  2. Vielen Dank für diesen hilfreichen Beitrag!

    Viele Grüße aus Paris
    Feli

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    1. Den Beitrag habe ich sehr gerne geschrieben, das Thema liegt mir sehr am Herzen!

      Liebe Grüße von der Ostseeküste
      Küstenmami

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  3. Hallo :)

    Ein sehr interessanter Beitrag.
    Kinder sollte man eigentlich sowieso nicht ohne Beaufsichtigung schwimmen lassen. Aber wie schnell geht es, da passt man mal nicht auf und zack. Danke für dieses wichtige Thema.

    Liebe Grüße, Anja

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    1. Ja, das kann tatsächlich unglaublich schnell gehen. Und Du hast recht, am Wasser sollte man Kinder nie aus den Augen lassen!

      Viele liebe Grüße
      Küstenmami

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