Donnerstag, 17. September 2020

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Julia und ihr Mann erhielten während der Schwangerschaft die erschütternde Diagnose des Cornelia-de-Lange  Syndrom und weiterer Krankheiten für ihr Baby. Trotzdem haben sie sich gegen eine Spätabtreibung und für das Weitertragen entschieden. In ihrem Bericht beschreibt Mutter Julia ihre Erfahrungen und Emotionen bei der Palliativgeburt von Lina, bei der Glück und Trauer einander abwechselten und die eine gute Alternative für die Familie war.
(Bildrechte: Julia)

Moin, Ihr Lieben!

Ich kann mir kaum vorstellen, wie schlimm es sein muss, wenn man während der Schwangerschaft die Nachricht erhält, dass das Kind, auf das man sich so gefreut hat, unheilbar krank ist und während oder kurz nach der Geburt sterben wird. Doch so war es bei Lina, der kleinen Tochter von Julia und ihrem Mann. Bei Lina wurde während des 2. Schwangerschafts-Screenings und weiteren Untersuchungen ein Herzfehler und das Cornelia-de-Lange Syndrom festgestellt, das sich durch multiple Fehlbildungen äußert. Eine erschütternde Diagnose, und doch entschieden sich Julia und ihr Mann gegen eine Spätabtreibung und wählten stattdessen die Möglichkeit des Weitertragens und der palliativen Geburt.

Ich habe Julia gefragt, ob sie hier auf dem Blog einen Bericht zu Linas Palliativgeburt veröffentlichen und von ihren Erfahrungen unter der Geburt erzählen möchte. Ich freue mich sehr, dass sie zugestimmt hat; denn wir beide finden es wichtig, dass mehr Eltern von der Möglichkeit der palliativen Geburt erfahren, also einer normalen Geburt mit Sterbebegleitung, ohne dass intensivmedizinische Maßnahmen ergriffen werden. Dass dies tatsächlich eine gute Alternative sein kann, auch wenn feststeht, dass das Kind nach der Geburt nicht oder nur sehr kurz leben kann, zeigt Julias Text. Denn so belastend die gesamte Situation war und so groß die Trauer auch ist, so konnte Julia die Geburt dennoch als heilsam erleben und mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann Momente des Glücks und der Geborgenheit erfahren. 

Hier kommt Julias Bericht:

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Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Julia und ihr Mann erhielten während der Schwangerschaft die erschütternde Diagnose des Cornelia-de-Lange  Syndrom und weiterer Krankheiten für ihr Baby. Trotzdem haben sie sich gegen eine Spätabtreibung und für das Weitertragen entschieden. In ihrem Bericht beschreibt Mutter Julia ihre Erfahrungen und Emotionen bei der Palliativgeburt von Lina, bei der Glück und Trauer einander abwechselten und die eine gute Alternative für die Familie war.
(Bildrechte: Julia)

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt

Julias Bericht

Donnerstag, der 13. Februar 2020 sollte der Tag sein, an dem die Jagd nach den Befunden beendet werden sollte und wir uns vor einer Weggabelung befanden. Hinter uns lagen fast 2 Monate Ärztemarathon mit vielen Verdachtsmomenten, noch mehr googlen, Hoffnungsschimmern aber auch vielen Tränen. Es begann mit etwas Flüssigkeit unter dem Zwerchfell beim 2. Screening bei meiner Frauenärztin kurz vor Weihnachten 2019 und endete an dem besagten Donnerstag mit einem Herzfehler, Hydrothorax (Flüssigkeit an beiden Lungenflügeln), Zwerchfellhernie (Milz & Teile des Darms im Brustraum) und dem Cornelia-de-Lange Syndrom, eingestuft als krankheitsauslösend. 

Die Weggabelung bestand darin, dass das allererste Mal eine Entscheidung von uns nötig war. 29 Wochen und 3 Tage und wir haben einfach nur weiter gemacht, den Ärzten vertraut und gehofft. Das war nun zu Ende. Die Diagnose niederschmetternd und wir standen plötzlich vor der Wahl: weiterkämpfen, Spätabbruch (Fetozid mit stiller Geburt) oder Palliativgeburt. Wir waren überfordert. Überfordert mit der Auswahl, überfordert mit den Befunden, überfordert damit, dass unser Wunsch nach einem gesunden zweiten Kind endgültig begraben war. Aber wir hatten auch Glück. Glück das unsere Ärztin uns gut betreut und umfassend und vor allem ergebnisoffen beraten hat. Sie war bereit jeden Weg mit uns zu gehen und hat für eine gute Entscheidungsgrundlage gesorgt. Wir haben mit dem Chefkinderarzt des Krankenhauses über die Prognosen und Lebensqualität unserer Tochter gesprochen, haben mit der Humangenetikerin gesprochen und auch mit „unserer“ Ärztin gemailt und noch einmal 2 Wochen später gesprochen. Denn sie signalisierte deutlich, dass wir Zeit für unsere Entscheidung hätten und jede Entscheidung die richtige ist, solange wir an sie glauben.

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Das Baby von Julia hat das Cornelia de Lange Syndrom, dies wurde schon während der Schwangerschaft festgestellt.
(Bildrechte: Julia)

Wir haben uns entschieden. Für eine Palliativgeburt. Also für eine normale Spontangeburt mit Sterbebegleitung, also ohne das eine intensivmedizinische Unterstützung eingeleitet wird. Die kinderärztliche Betreuung ist nur dafür da, unserer Tochter den Weg in den Tod ggf. medikamentös zu erleichtern. Eine vorzeitige Einleitung haben wir abgelehnt. Unsere Tochter sollte selber entscheiden, wann sie bereit ist uns kennenzulernen, um dann nach wenigen Stunden zu versterben. Damit begann die lange Zeit des Wartens, denn der errechnete Termin lag mit 8 Wochen noch in weiter Ferne. Acht Wochen würde ich von außen noch als glückliche Schwangere angesehen werden, Smalltalk am Kindergarten unserer großen Tochter halten und ein Kind in mir tragen, dass nicht bei mir bleiben wird. Zwei Kinder im Herzen, aber nur eines davon an der Hand.

Und dann kam Corona. Und damit eine riesige Entlastung. Plötzlich waren wir wie abgeschnitten von der Welt, kein Termindruck, keiner musste funktionieren. Wir konnten uns einigeln, ohne dass die Verwandtschaft brummelig ist. Wir konnten uns voll und ganz auf alles Kommende konzentrieren. Wir bereiteten unsere 4,5-jährige Tochter auf die Geburt und den Tod ihrer kleinen Schwester vor. Ich verließ das Haus lediglich für die Termine bei meiner Frauenärztin und die Verlaufskontrollen im Krankenhaus. Meine Hebamme kam für die geburtsvorbereitende Akupunktur vorbei und ansonsten beschäftigten wir uns mit unseren Wünschen für die Geburt und die Zeit danach. Wir fanden eine tolle Bestatterin und eine noch schönere Grabstätte. Bei allem war unsere große Tochter dabei, denn die Entscheidungen rund um die Bestattung trafen wir als Familie. 

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Das Grab von Lina, dem Sternenkind, die kurz nach der Geburt gestorben ist.
(Bildrechte: Julia)

Etwa 2 Wochen vor dem errechneten Termin Anfang Mai hatten wir das Gefühl bereit zu sein. Bereit unsere Tochter auf ihrem kurzen Lebensweg zu begleiten und sie gehen zu lassen. Am 28. April stand mal wieder ein Termin bei meiner Frauenärztin an. Es wurde – wie immer – kein CTG geschrieben, denn frühzeitige Wehen hätten wir sowieso nicht aufhalten wollen. Ich war langsam am Ende meiner Kräfte und für mich war klar, dass ich nicht über den errechneten Termin gehen möchte. Ich gab unserer Tochter also noch 6 Tage Zeit sich auf den Weg zu machen. Meine Frauenärztin konnte mir jedoch keine große Hoffnung machen. Sie wollte mich zwar aufmuntern und meinte, dass der Muttermund sich minimal weicher anfühlen würde, aber geglaubt habe ich ihr nicht wirklich. Am gleichen Tag abends um 18:30 Uhr mit dem Brotkorb auf dem Weg zum Abendbrottisch kam meine erste Wehe. Nicht wirklich schmerzhaft, nicht wirklich regelmäßig und von mir nur als Übungswehen abgetan. Wir aßen Abendbrot, ich brachte unsere große Tochter ins Bett und legte mich erstmal in die Badewanne. Mal abwarten, ob das wirklich Übungswehen sind. Sie waren immer noch nicht so richtig regelmäßig und mit weitem Abstand, aber es war klar: es sind Wehen. Trotzdem erzählte ich meinem Mann erstmal nichts. Im Gegensatz zu mir, kann er schwer schlafen, wenn er aufgeregt ist. Da mir aber klar war, dass er seine Kraft für die Geburt und die Zeit danach noch brauchen würde, behielt ich das Einsetzen der Wehen erstmal für mich. 

Wir schliefen recht früh, aber 4,5 Stunden später wurde ich durch die Wehen geweckt. Eine Stunde wehte ich still im Bett vor mich hin, bis ich um 3 Uhr beschloss, dann doch noch mal in die Wanne zu gehen. Die Wärme tat mir gut, aber ich merkte nun schon das die Wehen intensiver und die Abstände kürzer wurden. Um 4 Uhr stieg ich aus der Wanne und beschloss, dann doch mal meinen Mann zu wecken. Um 4:15 Uhr war er soweit klar, setzte einen Kaffee auf, und ich rief meine Mama an, denn diese sollte auf unsere große Tochter während der Geburt aufpasse. So langsam musste ich die Wehen veratmen und der Abstand wurde immer kürzer. Ich wusste, dass meine Mutter zu uns etwa 45 Minuten brauchen würde, hatte dabei aber nicht auf dem Zettel, dass der Elbtunnel bis um 5:00 Uhr morgens gesperrt sein sollte. Als meine Mutter nach einer Stunde immer noch nicht da war wurde ich unruhig. Inzwischen hatte ich alle 5 Minuten Wehen, es tat weh und ich wollte einfach nur noch ins Krankenhaus. Um 5:30 Uhr war sie endlich da und wir konnten losfahren. 20 Minuten Fahrt standen mir bevor – der Wehenabstand war bei 4 Minuten, und ich wollte nur noch Schmerzmittel. Um 6 Uhr kamen wir im Krankenhaus an, und ich kämpfte mich mit Mundmaske und Wehen durch die Flure bis zum Kreissaal. Um 6:10 Uhr galt ich offiziell als aufgenommen und es sollte geguckt werden, wie weit der Muttermund geöffnet ist. Leider kam ich pünktlich zum Schichtwechsel der Hebammen. Fluchend habe ich darum gebeten, dass sich parallel trotzdem schon mal jemand um die Schmerzmittel kümmern sollte. Die Ärztin hatte dann ihre liebe Mühe, mir einen Zugang zu legen. Zum einen war der Wehenabstand bei ca. 3 min und sie hatte kaum eine Chance zwischen den Wehen zu stechen und zum anderen spielen meine Adern sehr gerne Verstecken. 

Um 6:45 Uhr waren wir dann endlich im Kreissaal. Ich wurde an den Tropf mit Schmerzmitteln angeschlossen und untersucht: 7 cm war der Muttermund geöffnet. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich hatte doch ziemliche Angst, dass ich schon so lange durchgehalten habe, ohne dass sich viel getan hätte. Mein Mann war bis dahin ziemlich gestresst, denn seine größte Angst war, dass unsere Tochter im Auto kommt. Er erinnerte sich noch an die Faustregel 1 Std = 1 cm von der Geburt unserer ersten Tochter und fand so seine Tiefenentspannung. Bei mir wurden die Schmerzen inzwischen intensiver, das Schmerzmittel schien nicht zu wirken und ich verlangte nach einer PDA. Als die Hebamme jedoch meinte, dass dafür keine Zeit mehr wäre, war ich am Boden zerstört, weinte verzweifelt. Ich wollte nicht noch Stunden mit den Schmerzen durchhalten und glaubte der Hebamme nicht, dass unsere Tochter auf der Welt wäre, bevor der Anästhesist da ist. Um 7:00 Uhr wollte mein Mann dann bei der Spedition anrufen und unsere Türenlieferung verschieben. Ich raunzte ihn nur an, dass er jetzt nicht wegzugehen hat und schrie meinen Schmerz raus. Ich drücke seine Hand und hätte am liebsten auch reingebissen. Aber soviel Restkontrolle war noch da, dass ich den Impuls unterdrückte. Die Hebamme schlug vor die Fruchtblase zu öffnen. Wir stimmten dem Vorschlag zu und kurz danach schwamm quasi der ganze Kreissaal, da ich in den letzten Wochen deutlich mehr Fruchtwasser als normal entwickelt hatte. 

Und plötzlich sollte ich pressen. Mein Mann und ich waren völlig überrumpelt, dass es schon so weit ist. Ich spürte, wie meine Tochter im Geburtskanal rutschte und sich mit der nächsten Wehe leicht darin drehte. Und um 7:14 Uhr war unsere Lina auf der Welt. 47 cm groß und 2995g schwer. Sie sah für mich ganz normal aus, wie jedes andere Baby auch. Etwas bläulich und sie hat auch nicht geschrien, aber trotzdem wunderschön. Natürlich wirkte sie deutlich zarter, schließlich war unsere erste Tochter mit 54 cm und 4400g sehr kräftig gewesen. Lina wurde sofort auf meine Brust gelegt, und wir konnten sie streicheln, kuscheln und begucken. Die Hormone der Geburt machten mich in dem Moment zu dem glücklichsten Menschen der Welt. Ich genoss den Moment, während meinen Mann die Mischung aus Glück und Trauer bereits begann zu überrollen.

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Julia erzählt von ihren Erfahrungen, auch während der Schwangerschaft, und den Emotionen von Glück und Trauer. 
(Bildrechte: Julia)

Der Kinderarzt kam und untersuchte Lina auf meinem Arm, denn bei der Geburt war, auf unseren Wunsch, nur die Hebamme dabei. Lina wirkte auf ihn überraschend vital und auch ihre APGAR Werte von x/5/7 spiegeln diesen Eindruck wieder. Wir waren in dem Moment sehr dankbar, dass sie lebte. Da wir uns gegen eine CTG-Überwachung während der Geburt entschieden haben, wussten wir bis zuletzt nicht, ob sie bereits tod geboren werden würde. So wussten wir, dass sich das Kämpfen bis dahin gelohnt hat. Die Ärztin untersuchte mich noch kurz und fand keine Geburtsverletzungen. Daraufhin verließ sie gemeinsam mit dem Kinderarzt, der kein Eingreifen mit Morphium für notwendig hielt und der Hebamme den Kreissaal. Sie alle waren für uns per Klingel umgehend erreichbar, konnten uns so aber die Ruhe bieten, die wir dringend benötigten. Wir schauten uns jeden Zentimeter von Lina an, machten Erinnerungsfotos und hielten sie abwechselnd ganz fest in unseren Armen. Ich war in diesem Moment einfach glücklich und stolz. Stolz auf uns als Eltern, aber auch stolz auf unsere Tochter. Lina begann kurz leise zu meckern, beruhigte sich aber schnell wieder. Wir drehten ein kurzes Video für unsere große Maus zu Hause und schickten es meiner Mama. Lina war unglaublich ruhig, aber sie lebte. Als sie verstarb, war sie bei ihrem Papa im Arm eingekuschelt. Er hörte ein kurzes Seufzen, und dann war sie so still. Kurz danach wirkte ihr Gesicht anders, es lässt sich nicht beschreiben wie, aber wir haben instinktiv gespürt, dass sie gestorben ist. Bis wir jedoch die Bestätigung der Ärzte einholten, dauerte es noch etwas. Wir konnten uns noch nicht überwinden und genossen noch einen Moment die Illusion eines lebenden Babys. 

Um 8:58 Uhr stellte „unsere“ Ärztin aus der Schwangerschaft dann Linas Tod fest. 104 Minuten waren wir Eltern von zwei lebenden Töchtern. Erst eine Stunde nach Linas Tod wurde sie gewogen und vermessen. Kurz nach der Geburt waren uns diese Daten nicht wichtig, sodass die Untersuchung auf die Zeit nach ihrem Tod verschoben wurde. Die Hebamme machte Abdrücke von Linas Händen und Füßen. Wir meldeten uns bei unserer Bestatterin, denn wir wollten ambulant entbinden. Ich wollte also 4 Stunden nach der Geburt das Krankenhaus verlassen, damit unsere Tochter zu Hause aufgebahrt werden kann. Wir wollten so unserer großen Tochter die Möglichkeit bieten, ihre kleine Schwester kennenzulernen, und auch die Großeltern bekamen so die Gelegenheit sich zu verabschieden. Dank Corona hätte mich – außer meinem Mann – niemand im Krankenhaus besuchen dürfen. Wir haben die Zeit zu Hause, das gemeinsame Bemalen des Sargs und auch das erneute Wiedersehen von Lina im Bestattungsinstitut als sehr wertvoll für unseren Trauerprozess wahrgenommen. 

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Mutter Julia berichtet von der Möglichkeit des Weitertragens und der Palliativgeburt.
(Bildrechte: Julia)

Für uns war die Geburt wunderschön. Sie hat mich ein bisschen geheilt, da die Saugglockengeburt meiner ersten Tochter langwierig und schwer war. Wir sind unendlich dankbar für die vielen Erinnerungen an unsere Tochter. Wir durften sie sehen, sie durfte uns sehen, wir konnten ihre Stimme hören, sie küssen, kuscheln und berühren. Auch wenn ich mir mehr Zeit gewünscht hätte, bin ich doch dankbar, dass alles in unserem Tempo ablief. Aber es hat auch viel Kraft gekostet. Doch wir konnten so unseren inneren Frieden mit der Situation finden. Wir konnten in der schweren Zeit so viele schöne Erinnerungen sammeln, die uns jetzt über den Verlust helfen. Wir schmunzeln weiter über die Erinnerung, wie knapp es eigentlich mit Linas Geburt im Kreissaal war und dass mein Mann 15 Minuten vor der Entbindung noch nicht auf dem Zettel hatte, dass unsere Tochter gleich geboren wird. Ich bin dankbar für meine Geburtshormone, die mir unbeschwerte Stunden mit meiner Tochter geschenkt haben. Das erste Mal geweint habe ich erst, als wir sie im Krankenhaus gelassen haben. Quasi der zweite Abschied hat mir alles richtig bewusst gemacht. Ich beschreibe diese Momente gerne mit dem Wort Glückstrauer, da es nicht nur pures Glück, aber auch nicht nur Trauer war. 

Wenn Dein Kind kurz nach der Geburt sterben wird: Linas palliative Geburt. Die Palliativgeburt als gute Alternative zur Spätabtreibung: Julia berichtet von ihren Erfahrungen, von Glück und Trauer.
(Bildrechte: Julia)

Würden wir in eine Zeitmaschine steigen und die Entscheidung nochmal treffen müssen, würden wir wieder diesen Weg wählen. Aber ob ich die Kraft hätte, nochmal ein Kind auf diesem Weg zu begleiten, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Wenn ich Eltern vor solch einer Weggabelung einen Rat geben dürfte, würde ich ihnen sagen, dass sie auf ihren Bauch hören sollen. Uns wurden innerhalb der Familie und des Freundeskreises viele Ratschläge erteilt, aber niemand hat uns zu der Palliativgeburt geraten. Diese Möglichkeit kannte niemand, und wir mussten viel Aufklärungsarbeit leisten. Für uns war diese Entscheidung absolut richtig, und wir wurden darin schlussendlich von den Ärzten im Krankenhaus auch sehr bestärkt. Aber ich glaube, dass dies nicht für jeden die richtige Entscheidung gewesen wäre. Und das kann ich verstehen. Jeder sollte sich die Zeit nehmen und die Wahl haben, denn diese Entscheidung bleibt irgendwann für immer. Für unseren Trauerprozess war die palliative Geburt wichtig, vor allem auch die Ruhe vor der Geburt. Wenn sich Eltern also für diesen Weg entscheiden, sollten sie das tun, was sie brauchen. Sie sollten keine Rücksicht auf Verwandte etc. nehmen, denn die Hauptsache ist, dass sie selber möglichst heile aus der Zeit kommen und ihre eigene Trauer den Raum bekommt, die sie braucht. Ganz egal ob sie Ruhe vor der Geburt wollen oder viel Zeit im familiären Kreis. Hört auf euer Herz <3

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Ganz lieben Dank für Deinen wunderbaren und zugleich herzzerreißenden Bericht, liebe Julia! Ich spüre Deine und Eure Trauer, aber auch so unendlich viel Liebe in Deinem Text, dass ich bereits beim Lesen der ersten Zeilen angefangen habe zu weinen und auch jetzt nicht mehr aufhören kann. Ich hoffe sehr, dass durch diesen Artikel mehr werdende Eltern von der Möglichkeit der palliativen Geburt erfahren, damit sie wissen, dass ihnen auch dieser Weg zur Verfügung steht, wenn schon während der Schwangerschaft klar ist, dass ihr Kind unheilbar bzw. schwerst krank ist.

Ihr Lieben, für Euch ist vielleicht noch wichtig zu wissen, dass Ihr zahlreiche Texte zum Thema "Sternenkinder", also Kinder, die in der Schwangerschaft sowie vor, während oder nach der Geburt gestorben sind, in meiner Rubrik Sternenkinder findet. Es gibt auch einen ausführlichen Blogpost mit Informations- und Unterstützungsangeboten für betroffene Eltern und Angehörige. Ihr seid nicht allein! 

Wenn Ihr selbst einen Bericht bzw. einen Artikel zu diesem Thema veröffentlichen wollt, schickt mir gerne eine Mail an kuestenkidsunterwegs (at) gmx punkt de.

Ahoi und alles Liebe

Eure Küstenmami


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11 Kommentare :

  1. Liebe Julia, das zu lesen tut mir unendlich leid für euch. Mein herzliches Beileid. Aber ich glaube das eure Entscheidung die richtige war wenn ich dies lese. Ich wünsche euch viel Kraft und Energie und wünsch euch alles gute. Fühlt euch gedrückt. Liebe Grüße, Christian (ehemaliger Arbeitskollege).

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  2. ❤😪 so traurig... für den Schmerz, fehlen mir die passenden Worte! Alles Liebe Tine

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  3. Liebe Julia, Eure Geschichte hat mich sehr berührt. Was für eine starke Frau Du bist!! Eure Liebe ist überwältigend. Ich wünsche Euch von Herzen, dass Ihr die Trauer gut bewältigt und dass Ihr bald wieder schwanger werdet, falls Ihr das wollt. Ganz viel Kraft weiterhin ❤️❤️❤️

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  4. Liebe Julia, deine Zeilen sind so herzzerreißend, tränenrührend, tieftraurig und zugleich doch schön. Schön, weil ihr euren Weg gefunden habt, dieses schwere Schicksal gemeinsam anzunehmen und durchzustehen.
    Ihr habt meinen Respekt. Die kurze Zeit mit eurer kleinen Lina kann euch keiner nehmen, bewahrt sie euch im Herzen❣
    Schön, dass ihr auch Fotos machen konntet. Sie sind so schön.�� Ich glaube, auch wenn es für euch hart und schmerzlich war, eure kleine Lina hat es verdient, ihre Eltern kennenzulernen, auch wenn es nur für kurze Zeit war.
    Sie ist nun einer von vielen kleinen Engeln und schaut auf euch herab.
    Julia, ich wünsche dir und deinem Mann von ganzem Herzen, dass ihr trotz des für euch so unsagbar schmerlichen Verlustes, die notwendige Kraft findet, zuversichtlich sowie hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

    Alles Liebe Monika

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  5. Ich sitze hier tränend und möchte Danke sagen, für diese wertvolle und persönliche Geschichte. Ich bin tief gerührt und kannte diese Möglichkeit bisher nicht. Euer Verlust, auch der, der Schwester, der Enkelin, tut mir unendlich leid. Du hast so liebevoll und motivierend geschrieben. Alles Liebe

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  6. Liebe Julia, deine Geschichte berührt mich sehr. Auch mein Mann und ich standen letztes Jahr vor dieser schwierigen Entscheidung. Bei unserem Sohn wurde ein schwerer Herzfehler festgestellt, mit dem kein normales Leben möglich gewesen wäre. Wir haben uns in dieser Situation für einen Spätabbruch entschieden. Auch euren Weg haben wir in Betracht gezogen, aber dafür war ich in diesem Moment nicht stark genug. Es gehört sehr viel Kraft und Stärke dazu, sein Kind weiterhin auszutragen, wenn man weiß, dass es kurz nach der Geburt sterben wird. Dafür hast du meinen größten Respekt. Jetzt im Nachhinein wünschte ich, ebenso stark gewesen zu sein. Dann hätte ich wenigstens einmal die Stimme meines Sohnes gehört oder seine offenen Augen gesehen. Das alles durftest du erleben und das ist ein Geschenk.
    K

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  7. Liebe Julia,
    euer Schicksal tut mir unendlich Leid...
    DANKE, dass euer Mäuschen Liebe und Wärme erleben durfte. DANKE, dass ihr sie auf dem Weg zum Himmel begleitet habt... Kein Baby, welches unterm Herzen getragen wird, sollte sterben - schon gar nicht alleine! Dazu gehört aber auch viel Kraft und Liebe... Ich wünsche euch alles erdenklich Gute!

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  8. Liebe Julia
    Es tut mir ganz doll leid, was euch geschehen ist. Wir mussten unser Kind auch kürzlich still gebären und Abschied nehmen. Ich war froh, durfte ich mein Kind noch mit nach Hause nehmen und selbst zu Grabe tragen. Ich wollte unseren Sohn nach der Geburt keine einzige Minute aus der Hand geben. So ließ ich ihn auch nicht beim Bestatter.
    Dein Kind auszutragen finde ich super und würde es nicht anders machen.
    Wir wünschen euch als Familie alles, alles Gute.
    LG Silvia und Yannic

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  9. Liebe Julia - ich habe deine Geschichte gelesen und finde es sehr schön das dies so für euch möglich war. Ich würde mir wünschen dass es viel "normaler" wird in Deutschland, ich arbeite in der Pflege und bin (als Niederländerin) erstaunt darüber welch ein Tabu noch auf das Thema Sterben liegt und das über eine gute Sterbebegleitung noch so viel unklar is bei vielen. Vielen Dank für s teilen!! Hoffentlich hast du einigen erreicht und etwas in Bewegung gesetzt. Euch viel Kraft als Familie 💫

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  10. Liebe Julia - ich habe vor 26 Jahren meine Tochter, ersehnt und geliebt, mit einer schweren Diagnose und der sofort "quasi erwarteten Spätabtreibung" dennoch weiter ausgetragen.... wir hatten allerdings eine kleine Hoffnung, denn es hieß 10% Chance auf "Leben" gäbe es, wenn sie die Schwangerschaft übersteht.
    Dennoch, zu keiner Zeit stand es für mich in Frage, ihr diese Zeit zu nehmen.
    Auch ich empfinde gerade die Geburt und auch ihr kurzes Leben (nur 10 Wochen) als wertvoll. Ihre Geschwister hatten eine Schwester! Ich hatte eine Tochter! Sie gesehen, gerochen und getragen zu haben ist mir noch immer ein Trost und ich bereue es nie.
    Dein Bericht hat mich, wie in einer Zeitreise zurückversetzt, aber auch wenn Tränen dies begleiten, ich würde ebenso wie du nie eine andere Entscheidung treffen.

    Und falls es dir etwas hilft, ich hatte den Mut und es hat mich noch weiter geheilt... Ihre nachfolgenden Geschwister wissen auch alle um sie, diese Schwester, die wir alle in uns tragen.

    Sicher, gerade die Zeit der Ungewissheit, bevor klar war, dass es sich so nicht wiederholt, die war schwer, der Lohn jedoch danach unbeschreiblich.

    Keine Sekunde meines Lebens bereue ich, was ich damals rein aus dem Gefühl heraus entschied.

    Das wünsche ich dir und euch ebenfalls.

    Liebe Grüße

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  11. Danke, dass du eure Geschichte geteilt hast. Unfassbar hart wie wenig Zeit ihr zusammen bekommen habt und unfassbar schön wie ihr diese Zeit begangen habt. Ich kann gerade nicht aufhören zu weinen und hab doch nicht wirklich eine Idee wie unsagbar schwer und schmerzhaft euer Weg war. Ich spüre die Liebe, die ihr geteilt habt und bin sehr sehr dankbar.

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