(Bildrechte: PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH)
Moin, Ihr Lieben!
Es passiert viel zu häufig: Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder werden Opfer von Gewalt, Übergriffen und sexuellem Missbrauch. Das geschieht leider nicht nur durch so genannte "Mitschnacker", sondern auch im näheren sozialen Umfeld und in den Familien der Kinder selbst.
Wie Ihr Eure Kinder schützen und was Ihr als Eltern oder aufmerksame Beobachter tun könnt, erzählt Euch heute Nils Raupach von PETZE, dem Institut für Gewaltprävention gGmbH in Kiel im Interview:
***
Gibt es gegen diese Täter auch Sicherheitsregeln, die Kinder schützen?
Leider müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass wir mit Kindern „einüben“ können, wie sich im Falle eines konkreten Übergriffs verhalten sollen. Sexuelle Gewalt geschieht in zu unterschiedlichen Kontexten und durch zu unterschiedliche Täter_innen. Kleinen Kindern sollten wir auch nicht erklären, was Täter_innen vielleicht vorhaben könnten; das verunsichert nur.
Für die Prävention bei kleinen Kindern haben sich positiv formulierte Präventionsbotschaften bewährt, die auch im Fokus unseres Kita Projektes stehen. Die Botschaften lauten:
- Meine Gefühle sind richtig und ich kann ihnen vertrauen!
- Ich kann zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden!
- Ich kenne den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen!
- Ich hole mir Hilfe, wenn ich etwas alleine nicht schaffe!
- Ich darf Nein sagen und trage keine Schuld, wenn mir etwas passiert!
Diese Botschaften sollen den Strategien der Täter_innen entgegenwirken: Täter_innen versuchen gezielt, die Gefühle der betroffenen Kinder zu verwirren und ihnen weiszumachen, die Berührungen würden einvernehmlich geschehen. Häufig erzählen sie den betroffenen Kindern, bei den Übergriffen handele es sich um ein gemeinsames Geheimnis, das nicht weitererzählt werden dürfe. Gute Prävention macht Spass und jagt den Kindern keine Angst ein; daher erarbeiten wir die Präventionsbotschaften mit den Kindern anhand von Beispielen und Methoden, die zum Entwicklungsstand und der Lebenswelt der Kinder passen.
Und bei welchen Fällen sollte man „petzen“? An wen wende ich mich am besten und wo finde ich echte Hilfe?
Wer mit einem konkreten Verdachtsfall zu tun hat, sollte sich in jedem Fall professionelle Unterstützung in Form von Beratung holen. Auch die Entscheidung, ob „gepetzt“ oder eine Anzeige gemacht wird, kann im Zuge eines Beratungsprozesses reifen. Eine Anzeige ist keine Voraussetzung für Beratung! Natürlich kann auch immer eine Anzeige bei der Polizei gemacht werden. Mittlerweile gibt es geschulte Beamt_innen, die sehr behutsam mit betroffenen Kindern umgehen. Hierbei müssen wir aber wissen, dass eine Anzeige bei der Polizei aus gutem Grund nicht einfach zurückgenommen werden kann.
Sehr empfehlen kann ich das „Hilfetelefon sexueller Missbrauch“ http://www.nina-info.de/hilfetelefon.html . Wer mit einem Verdachtsfall zu tun hat, selbst aktuell oder in der Kindheit Übergriffe erlebt hat oder einfach das Gefühl hat, es könnte eine missbräuchliche Situation vorliegen, kann sich hier melden. Das Hilfetelefon arbeitet kostenfrei und vertraulich. Mit einem Anruf dort kann man nichts verkehrt machen.
Ganz herzlichen Dank für das Interview, Herr Raupach!
***
(Bildrechte: PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH)
Kinder vor Gewalt, Übergriffen und sexuellem Missbrauch schützen
Interview mit Nils Raupach, PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH
Moin, Herr Raupach, vielen Dank erstmal, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben! Möchten Sie sich einmal vorstellen – wer sind Sie und was machen Sie?
Ich bin Dipl. Sozialpädagoge und hauptberuflich Bildungsreferent beim PETZE-Institut für Gewaltprävention in Kiel.
Und was ist PETZE? Welche Aufgaben nehmen Ihr Institut im Allgemeinen und Sie im Speziellen wahr?
Die PETZE ist eine feministische gemeinnützige GmbH in Trägerschaft des Kieler Frauennotrufs. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch ist zentrales Anliegen der PETZE. Wir schulen Erwachsene, die mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen arbeiten. Gerne führen wir auch Infoabende für Erziehungsberechtigte in Kitas und Schulen durch. Für die Präventionsarbeit entwickeln wir praxisnahe Materialien und Projekte. Wir sind bekannt für unsere ECHT…-Ausstellungen im Kontext von Schule und Behindertenhilfe.
Ich arbeite vor allem im Bereich Kindertagesstätten und betreue das Projekt ECHTE SCHÄTZE-Die Starke-Sachen-Kiste für Kinder.
Interview mit Nils Raupach, PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH
Moin, Herr Raupach, vielen Dank erstmal, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben! Möchten Sie sich einmal vorstellen – wer sind Sie und was machen Sie?
Ich bin Dipl. Sozialpädagoge und hauptberuflich Bildungsreferent beim PETZE-Institut für Gewaltprävention in Kiel.
Und was ist PETZE? Welche Aufgaben nehmen Ihr Institut im Allgemeinen und Sie im Speziellen wahr?
Die PETZE ist eine feministische gemeinnützige GmbH in Trägerschaft des Kieler Frauennotrufs. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch ist zentrales Anliegen der PETZE. Wir schulen Erwachsene, die mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen arbeiten. Gerne führen wir auch Infoabende für Erziehungsberechtigte in Kitas und Schulen durch. Für die Präventionsarbeit entwickeln wir praxisnahe Materialien und Projekte. Wir sind bekannt für unsere ECHT…-Ausstellungen im Kontext von Schule und Behindertenhilfe.
Ich arbeite vor allem im Bereich Kindertagesstätten und betreue das Projekt ECHTE SCHÄTZE-Die Starke-Sachen-Kiste für Kinder.
(Bildrechte: PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH)
PETZE ist ja ein sehr sprechender Name – was bedeutet das bzw. worum geht es da?
Petzen ist ein unter Kindern und Erwachsenen meist sehr negativ belegter Begriff. Wer möchte schon eine Petze sein? Wenn wir uns mit sexuellem Missbrauch beschäftigen ist aber eine ganz wichtige Präventionsbotschaft, dass Hilfe holen kein petzen ist – oder petzen eben etwas sehr positives sein kann.
Und wie macht man seine eigenen Kinder stark, damit sie sich bei einem Übergriff auch selbst zur Wehr setzen?
Zunächst einmal: Kinder können sich in den meisten Fällen nicht selbst zur Wehr setzen – die Täter_innen sind immer stärker. Es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, Kinder zu schützen, oder ihnen zu helfen, wenn sie einen Übergriff erlebt haben. Es gibt durchaus so genannte „Selbstbehauptungskurse“, in denen Kinder lernen können, Grenzen zu setzen und NEIN zu sagen. Leider gibt es in diesem Bereich aber auch unseriöse Anbieter, die mit den Ängsten der Erziehungsberechtigten und pädagogisch fragwürdigen Ansätzen Geld verdienen wollen. Hier sollte gut geschaut werden, was angeboten wird, z.B. auf https://www.petze-institut.de/wp-content/uploads/2014/07/Selbstverteidigungsbroschuere-1.pdf .
Petzen ist ein unter Kindern und Erwachsenen meist sehr negativ belegter Begriff. Wer möchte schon eine Petze sein? Wenn wir uns mit sexuellem Missbrauch beschäftigen ist aber eine ganz wichtige Präventionsbotschaft, dass Hilfe holen kein petzen ist – oder petzen eben etwas sehr positives sein kann.
Und wie macht man seine eigenen Kinder stark, damit sie sich bei einem Übergriff auch selbst zur Wehr setzen?
Zunächst einmal: Kinder können sich in den meisten Fällen nicht selbst zur Wehr setzen – die Täter_innen sind immer stärker. Es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, Kinder zu schützen, oder ihnen zu helfen, wenn sie einen Übergriff erlebt haben. Es gibt durchaus so genannte „Selbstbehauptungskurse“, in denen Kinder lernen können, Grenzen zu setzen und NEIN zu sagen. Leider gibt es in diesem Bereich aber auch unseriöse Anbieter, die mit den Ängsten der Erziehungsberechtigten und pädagogisch fragwürdigen Ansätzen Geld verdienen wollen. Hier sollte gut geschaut werden, was angeboten wird, z.B. auf https://www.petze-institut.de/wp-content/uploads/2014/07/Selbstverteidigungsbroschuere-1.pdf .
(Bildrechte: PETZE - Institut für Gewaltprävention gGmbH)
Viele Eltern haben Angst, dass ihr Kind von Fremden angesprochen oder sogar zum Mitgehen aufgefordert wird. Was kann man dagegen tun, wie kann man dem vorbeugen?
Gegen so genannte „Mitschnacker“ können wir unsere Kinder schützen, indem der Name des Kindes nicht auf T-Shirt, Rucksack oder Auto sichtbar zu sehen ist – wenn Kinder mit dem eigenen Namen angesprochen werden, können Täter_innen vertrauenswürdig wirken. Wir sollten mit den Kindern auch sichere Wege einüben und besprechen, bei wem sie sich bei Bedarf Hilfe holen können.
Gegen so genannte „Mitschnacker“ können wir unsere Kinder schützen, indem der Name des Kindes nicht auf T-Shirt, Rucksack oder Auto sichtbar zu sehen ist – wenn Kinder mit dem eigenen Namen angesprochen werden, können Täter_innen vertrauenswürdig wirken. Wir sollten mit den Kindern auch sichere Wege einüben und besprechen, bei wem sie sich bei Bedarf Hilfe holen können.
Ganz wichtig ist auch, zumindest mit älteren Kindern Sicherheitsregeln für Internetnutzung zu besprechen, denn auch dort können Täter_innen aktiv sein. Kinder und Jugendliche müssen lernen, vorsichtig mit der Weitergabe privater Daten und Fotos zu sein. Zuweilen geben Täter_innen vor, zu einer Agentur zu gehören und Jugendliche casten zu wollen. Seriöse Agenturen verlangen aber niemals das Verschicken von persönlichen Fotos im Internet!
Es ist aber auch wichtig im Bewusstsein zu haben, dass die meisten Täter_innen den betroffenen Kindern nicht fremd sind…
…sondern aus den Familien der betroffenen Kinder stammen? Wie und wo passieren die meisten Übergriffe?
Sexuelle Übergriffe „passieren“ nicht einfach, sondern die Täter_innen gehen gezielt und geplant vor; das ist wichtig zu wissen. Ungefähr 1/3 der Täter_innen kommen aus den Familien der betroffenen Kinder, ungefähr die Hälfte der Täter_innen aus deren sozialem Nahraum. Im Prinzip können alle Erwachsenen, mit denen die Kinder zu tun haben, Übergriffe begehen. Auch Jugendliche können Täter_innen sein, etwa ältere Geschwister und Sportkamerad_innen. Die meisten Betroffenen sind weiblich und die meisten Täter sind männlich. Aber auch Frauen begehen Übergriffe, Jungen und männliche Jugendliche können ebenfalls betroffen sein.
Es ist aber auch wichtig im Bewusstsein zu haben, dass die meisten Täter_innen den betroffenen Kindern nicht fremd sind…
…sondern aus den Familien der betroffenen Kinder stammen? Wie und wo passieren die meisten Übergriffe?
Sexuelle Übergriffe „passieren“ nicht einfach, sondern die Täter_innen gehen gezielt und geplant vor; das ist wichtig zu wissen. Ungefähr 1/3 der Täter_innen kommen aus den Familien der betroffenen Kinder, ungefähr die Hälfte der Täter_innen aus deren sozialem Nahraum. Im Prinzip können alle Erwachsenen, mit denen die Kinder zu tun haben, Übergriffe begehen. Auch Jugendliche können Täter_innen sein, etwa ältere Geschwister und Sportkamerad_innen. Die meisten Betroffenen sind weiblich und die meisten Täter sind männlich. Aber auch Frauen begehen Übergriffe, Jungen und männliche Jugendliche können ebenfalls betroffen sein.
Gibt es gegen diese Täter auch Sicherheitsregeln, die Kinder schützen?
Leider müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass wir mit Kindern „einüben“ können, wie sich im Falle eines konkreten Übergriffs verhalten sollen. Sexuelle Gewalt geschieht in zu unterschiedlichen Kontexten und durch zu unterschiedliche Täter_innen. Kleinen Kindern sollten wir auch nicht erklären, was Täter_innen vielleicht vorhaben könnten; das verunsichert nur.
Für die Prävention bei kleinen Kindern haben sich positiv formulierte Präventionsbotschaften bewährt, die auch im Fokus unseres Kita Projektes stehen. Die Botschaften lauten:
- Meine Gefühle sind richtig und ich kann ihnen vertrauen!
- Ich kann zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden!
- Ich kenne den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen!
- Ich hole mir Hilfe, wenn ich etwas alleine nicht schaffe!
- Ich darf Nein sagen und trage keine Schuld, wenn mir etwas passiert!
Diese Botschaften sollen den Strategien der Täter_innen entgegenwirken: Täter_innen versuchen gezielt, die Gefühle der betroffenen Kinder zu verwirren und ihnen weiszumachen, die Berührungen würden einvernehmlich geschehen. Häufig erzählen sie den betroffenen Kindern, bei den Übergriffen handele es sich um ein gemeinsames Geheimnis, das nicht weitererzählt werden dürfe. Gute Prävention macht Spass und jagt den Kindern keine Angst ein; daher erarbeiten wir die Präventionsbotschaften mit den Kindern anhand von Beispielen und Methoden, die zum Entwicklungsstand und der Lebenswelt der Kinder passen.
Welche Rolle spielt in diesem Kontext Aufklärung? Und wie fängt man das am geschicktesten an?
Grundsätzlich gehört altersangemessene Sexualaufklärung zu Prävention dazu. Kinder, die lernen, dass manche Körperteile und Sexualität mit Tabus belegt sind, haben es schwerer, Übergriffe zu erkennen und von diesen zu berichten. Auch sollten schon kleine Kinder gleichberechtigte Vokabeln für alle Körperteile kennen – auch für ihre Genitalien.
Kinder stellen viele Fragen. Wir Erwachsene sollten hierauf offen und unbefangen reagieren. Wir stehen aber auch in der Verantwortung, Kindern Regeln beizubringen. So ist es natürlich nicht an jedem Ort in Ordnung, sich zu entkleiden. Vielen Erwachsenen helfen kindgerechte Bilderbücher, um Kinder aufzuklären.
Wo fangen eigentlich sexuelle Übergriffe auf Kinder an? Ist ein Küsschen vom Opi noch ok? Darf man ein Kind auch mal am Arm festhalten, auch wenn es das nicht will? Ich könnte mir vorstellen, dass gerade die Grauzonen ein schwieriges Thema und viele Eltern hier unsicher sind.
Natürlich gibt es Graubereiche. Manchmal werden auch ohne bösen Willen Grenzen überschritten. Wenn sich etwa der Grossvater mit dem Argument „ich gucke dir doch nichts ab“ weigert den Raum zu verlassen, wenn sich sein Enkel umkleidet, ist das nicht in Ordnung. Wenn die Grossmutter als „Gegenleistung“ für Süßigkeiten ein Küsschen verlangt, bringt sie dem Kind bei, dass es nur eingeschränkt über seinen Körper und Berührungen entscheiden darf. Wir wollen unsere Kinder zu Selbstbewußtsein und Selbständigkeit erziehen, das ist Prävention.
Es bleibt aber natürlich erlaubt, liebevoll mit Kindern zu sein. Hierzu gehören natürlich auch Berührungen! Dies ist sogar wichtig im Sinne der Prävention, denn Kinder denen Zuwendung fehlt, gehen Täter_innen eher auf den Leim.
Wie kann ich denn als Elternteil erkennen, wenn in meiner näheren Umgebung etwas nicht stimmt? Bei welchen Signalen sollte ich aufmerksam werden und was ist „ganz normal“?
Zunächst einmal ist es wichtig, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Meistens spüren wir, wenn etwas nicht stimmt und sollten dann besonders aufmerksam sein. Manchmal gibt es körperlich sichtbare Spuren von sexuellem Missbrauch, meistens jedoch nicht. In den meisten Fällen zeigen Kinder, die missbraucht werden, psychische Auffälligkeiten. Hier ist es wichtig, mit den Kindern in Kontakt zu sein und ihnen zunächst zu glauben – was sie auch erzählen.
Grundsätzlich gehört altersangemessene Sexualaufklärung zu Prävention dazu. Kinder, die lernen, dass manche Körperteile und Sexualität mit Tabus belegt sind, haben es schwerer, Übergriffe zu erkennen und von diesen zu berichten. Auch sollten schon kleine Kinder gleichberechtigte Vokabeln für alle Körperteile kennen – auch für ihre Genitalien.
Kinder stellen viele Fragen. Wir Erwachsene sollten hierauf offen und unbefangen reagieren. Wir stehen aber auch in der Verantwortung, Kindern Regeln beizubringen. So ist es natürlich nicht an jedem Ort in Ordnung, sich zu entkleiden. Vielen Erwachsenen helfen kindgerechte Bilderbücher, um Kinder aufzuklären.
Wo fangen eigentlich sexuelle Übergriffe auf Kinder an? Ist ein Küsschen vom Opi noch ok? Darf man ein Kind auch mal am Arm festhalten, auch wenn es das nicht will? Ich könnte mir vorstellen, dass gerade die Grauzonen ein schwieriges Thema und viele Eltern hier unsicher sind.
Natürlich gibt es Graubereiche. Manchmal werden auch ohne bösen Willen Grenzen überschritten. Wenn sich etwa der Grossvater mit dem Argument „ich gucke dir doch nichts ab“ weigert den Raum zu verlassen, wenn sich sein Enkel umkleidet, ist das nicht in Ordnung. Wenn die Grossmutter als „Gegenleistung“ für Süßigkeiten ein Küsschen verlangt, bringt sie dem Kind bei, dass es nur eingeschränkt über seinen Körper und Berührungen entscheiden darf. Wir wollen unsere Kinder zu Selbstbewußtsein und Selbständigkeit erziehen, das ist Prävention.
Es bleibt aber natürlich erlaubt, liebevoll mit Kindern zu sein. Hierzu gehören natürlich auch Berührungen! Dies ist sogar wichtig im Sinne der Prävention, denn Kinder denen Zuwendung fehlt, gehen Täter_innen eher auf den Leim.
Wie kann ich denn als Elternteil erkennen, wenn in meiner näheren Umgebung etwas nicht stimmt? Bei welchen Signalen sollte ich aufmerksam werden und was ist „ganz normal“?
Zunächst einmal ist es wichtig, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Meistens spüren wir, wenn etwas nicht stimmt und sollten dann besonders aufmerksam sein. Manchmal gibt es körperlich sichtbare Spuren von sexuellem Missbrauch, meistens jedoch nicht. In den meisten Fällen zeigen Kinder, die missbraucht werden, psychische Auffälligkeiten. Hier ist es wichtig, mit den Kindern in Kontakt zu sein und ihnen zunächst zu glauben – was sie auch erzählen.
Und bei welchen Fällen sollte man „petzen“? An wen wende ich mich am besten und wo finde ich echte Hilfe?
Wer mit einem konkreten Verdachtsfall zu tun hat, sollte sich in jedem Fall professionelle Unterstützung in Form von Beratung holen. Auch die Entscheidung, ob „gepetzt“ oder eine Anzeige gemacht wird, kann im Zuge eines Beratungsprozesses reifen. Eine Anzeige ist keine Voraussetzung für Beratung! Natürlich kann auch immer eine Anzeige bei der Polizei gemacht werden. Mittlerweile gibt es geschulte Beamt_innen, die sehr behutsam mit betroffenen Kindern umgehen. Hierbei müssen wir aber wissen, dass eine Anzeige bei der Polizei aus gutem Grund nicht einfach zurückgenommen werden kann.
Sehr empfehlen kann ich das „Hilfetelefon sexueller Missbrauch“ http://www.nina-info.de/hilfetelefon.html . Wer mit einem Verdachtsfall zu tun hat, selbst aktuell oder in der Kindheit Übergriffe erlebt hat oder einfach das Gefühl hat, es könnte eine missbräuchliche Situation vorliegen, kann sich hier melden. Das Hilfetelefon arbeitet kostenfrei und vertraulich. Mit einem Anruf dort kann man nichts verkehrt machen.
Ganz herzlichen Dank für das Interview, Herr Raupach!
***
Habt Ihr Fragen zu diesem Thema? Ihr könnt Euch damit natürlich an die PETZE und die genannten Stellen wenden, sie jedoch auch hier in den Kommentaren stellen oder eine Mail an mich schreiben. Generell gilt: Fragt lieber einmal zu viel nach als zu wenig und seht nicht weg, wenn Euch etwas merkwürdig vorkommt. Denn unsere Kinder sind unsere Kinder, und es liegt in unserer Verantwortung, sie zu schützen!
Ahoi und ganz viel Rückenwind
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