Freitag, 14. September 2018

Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag)

Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). In ihrem berührenden Artikel auf Küstenkidsunterwegs beschreibt eine Mutter, wie sie mit ihrer Schwerhörigkeit und dem Hörgerät umgeht und was sie sich von anderen Eltern und ihren Kindern wünscht.
(Bildrechte: kieselstein)
 
Moin, Ihr Lieben!
 
Habt Ihr Euch mal gefragt, was es bedeutet, wenn man als Mama oder Papa nichts oder kaum etwas hört, weil man schwerhörig ist? Was es für das eigene Kind, einen selbst und den Umgang mit allen anderen um sich herum bedeutet?
 
Ich muss gestehen, dass ich mir um so etwas nie Gedanken gemacht habe, obwohl es auch in meiner näheren Umgebung Eltern mit Hörgerät gibt. Jedenfalls nicht bis zu dem Tag, an dem mich die bewegende Nachricht einer lieben Leserin erreichte - und aus unserer Kommunikation ist dieser zutiefst persönliche und berührende Gastbeitrag entstanden:
 
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Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). In ihrem berührenden Artikel auf Küstenkidsunterwegs beschreibt eine Mutter, wie sie mit ihrer Schwerhörigkeit und dem Hörgerät umgeht und was sie sich von anderen Eltern und ihren Kindern wünscht.
 (Bildrechte: kieselstein)
 
Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein

Neue Hörgeräte und das Meeresrauschen

Wer weiß, vielleicht hätten Kati, meine liebe, mutige Gastautorin, und ich nie näher miteinander Kontakt gehabt, und das, obwohl wir uns schon länger auf Instagram folgen, wo Ihr auch ihren schönen Account kieselstein findet. Doch dann erreichte mich eine Nachricht, kurz nachdem ich Euch dort inmitten der Sommerhitze ein erfrischendes Meersrauschen hochgeladen hatte.
 
Kati schrieb, ob ich ihr das schicken könne, denn demnächst würden ihre neuen Hörgeräte eingestellt und sie würde so gerne das Meer hören können. Das hat mich total berührt - ich konnte ihren Wunsch so gut nachvollziehen! Und ich habe sie gefragt: Wie ist das eigentlich so als Mama, wenn man schwerhörig ist?
 
Ihre Antwort, und was Ihr tun könnt, wenn Ihr, auch mit Euren Kindern, einer schwerhörigen Person begegnet, erzählt sie Euch am besten selbst:
 
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Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). In ihrem berührenden Artikel auf Küstenkidsunterwegs beschreibt eine Mutter, wie sie mit ihrer Schwerhörigkeit und dem Hörgerät umgeht und was sie sich von anderen Eltern und ihren Kindern wünscht.
 (Bildrechte: kieselstein. "Kieselstein" steht auch in Gebärdensprache unter den Bildern)
 
Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein

Ich sitze zwischen 200 anderen Eltern und aufgeregten Schülern, es ist die Einschulung der neuen 5. Klassen. Ab sofort ist meine Tochter nicht mehr eine der Kleinen, wieder ein Riesen-Schritt. Die neuen 6. Klassen gestalten die Einschulungsfeier, die Klasse meiner Tochter steht auf der Bühne, aufgeregt sind sie und meine Tochter ganz besonders. Der Refrain des Liedes fängt an, meine Tochter tritt vor und fängt an zu gebärden, sie gebärdet nur für mich…

Das ist mein Leben: Gebärden und Hörgeräte, anderen Menschen von den Lippen ablesen und seit den neuen Hörgeräten lauter neue Geräusche kennen lernen. So wie die Gemeinheiten und Tuscheleien ertragen ...


Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). Kati von Kieselstein schreibt darüber, wie es ist, als Mutter ein Hörgerät benutzen zu müssen.
(Bildrechte: kieselstein)

Ich und meine Tochter

Aber erst mal zu mir: Ich bin Kati, 36 Jahre alt, Mama einer Tochter und schwerhörig, eigentlich bin ich noch viel mehr. Aber heute geht es um meine Ersatzteile, die Hörgeräte.

Als meine Tochter auf die Welt kam, wollte ich sicher gehen, dass ich sie höre. Mir war nicht bewusst, dass ich so wenig höre. So bekam ich meine ersten Ersatzteile, meine Hörgeräte. Die Ohrstücke waren bewusst schlicht gehalten, ich wollte ja nicht, dass sie jemand sieht.

Man nimmt zu und man nimmt wieder ab, so ist das in der Schwangerschaft, aber dadurch verändern sich auch die Ohren. Obwohl man an die dabei als Letztes denkt. Doch deshalb mussten neue Ohrstücke her und diesmal wollte ich sie nicht in unauffällig, sondern in Blau. Jeder sollte sie sehen; ich hoffte; dass die anderen Menschen mich so eher anschauen und ich sie damit besser verstehen könne.

Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). Schwerhörig zu sein, heißt auch sein Kind nicht hören zu können.
 (Bildrechte: kieselstein)

Meine alten und meine neuen Hörgeräte

Doch die blauen Ohrstücke kamen und das Getuschel auch …

„Schau mal, was hat die denn in den Ohren?“
 

oder

„Wollen Sie nicht die Musik aus den Ohren nehmen, wenn Sie sich mit mir unterhalten“


waren noch freundliche Kommentare.

Andere Eltern wollten auf einmal, dass die Kinder lieber bei ihnen spielen als bei uns.

Was mir wirklich zu schaffen macht, und das ist heute ebenso wie damals, sind die anderen Eltern. Sie tuscheln, verbieten ihren Kindern zu fragen. Dabei würde ich gerne alle Fragen beantworten, schließlich gehören meine Ersatzteile doch jetzt zu mir.

Eine Mutter zog im Bus ihren Jungen von mir weg, der wissen wollte, was ich in den Ohren habe, mit den Worten

„Nicht, die Frau ist behindert, lass sie in Ruhe!“

Das saß. Ja, ich habe einen Behindertenausweis, obwohl ich den Namen SchwerinOrdnungausweis bevorzuge. Aber bin ich deshalb ein schlechterer Mensch? Muss man deshalb seine Kinder von mir weg ziehen? NEIN, muss man nicht, ganz bestimmt bin ich kein schlechterer Mensch und auch seine Kinder muss man nicht vor mir weg ziehen.

Lasst eure Kinder fragen, erklärt es ihnen, wenn ihr könnt…

Ich habe noch nie ein Kind erlebt, das Probleme mit meinen Ersatzteilen hatte, aber schon viele Erwachsene.

Auf meine Ersatzteile reagieren Kinder meist sehr interessiert, automatisch tippen sie dich an, wenn sie hinter dir stehen. Damit du dich umdrehen kannst und sie besser verstehst. Sie schauen dich an, wenn sie mit dir reden, denn sie wollen, dass du sie verstehst. Erwachsene schauen meist auf den Boden…

Ich würde mir wünschen, dass man mich anschaut, wenn man mit mir spricht. Dass man mich antippt, wenn man hinter mir steht und mit mir reden möchte.

Wenn man mit mehreren steht, dass man nacheinander redet und nicht alle kreuz und quer...

Ja, das würde ich mir sehr wünschen, denn diese Kleinigkeiten lassen mich teilhaben, lassen mich verstehen.

 
Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). Das Meeresrauschen hören zu können, war Katis inniger Wunsch.
 (Bildrechte: kieselstein)

Meine neuen Hörgeräte

Ich danke Katja, der Küstenmami, dass sie mir die Möglichkeit gibt, hier über meine Ersatzteile zu schreiben und euch damit zu zeigen, wie es ist, schwerhörig zu sein, und wie leicht ihr mir helfen könnt.

Aber noch mehr oder genauso viel danke ich ihr für das Video vom Meer, das sie mir geschickt hat. Mal abgesehen davon, dass ich schon viel zu lange nicht mehr am Meer war, konnte ich es beim letzten Mal schon nicht mehr hören. Das hat mich sehr traurig gemacht. Als nun die neuen Ersatzteile kamen, war ich voller Hoffnung, dass ich das Meer hören kann.

Ich höre auf einmal den Regen, die Vögel und viele andere Geräusche und das alles dank meiner neuen Ersatzteile, doch das Meer hörte ich nicht.

Nach ein paar Änderungen, saß ich da mit meinen Ersatzteilen in den Ohren und dem Meer von Katja auf dem Handy. Ich habe lange nicht mehr so bitterlich geweint, denn ich hörte das Meer. Mittlerweile ist es ein Ritual geworden: Jeden Abend schaue ich mir zusammen mit meiner Tochter das Video vom Meer an und höre es …
 

Meine Hörgeräte und ich: Mama und schwerhörig sein (Gastbeitrag). Als Schwerhörige ist es manchmal auch mit anderen Eltern nicht leicht.
(Bildrechte: kieselstein)

Das Leben als Mama stellt einen immer wieder vor Herausforderungen; wenn Mama aber schwerhörig ist, dann ist das noch mal eine ganz andere Nummer.

Die erste Herausforderung war ein Babyphone zu kaufen, es musste eins mit Kamera sein und Licht. Je mehr Lichter leuchten, desto lauter ist mein Kind und es bedeutet für mich, dass es weint. Denn nachts trägt man seine Ersatzteile nicht. Aber man schläft mit einem Auge auf, weil man Angst hat, etwas zu verpassen.

Je größere meine Tochter wurde, desto besser wurde es. Ich schaffte das Babyphone ab, und sie schlief in meinem Bett. Erholung pur, mittlerweile ist sie 12 Jahre alt und wenn sie nachts etwas von mir möchte, kitzelt sie an meinen Füßen :-)

Die nächste Herausforderung war das Sprechen. Denn wie hörst du, ob dein Kind etwas richtig ausspricht ? Für uns gab es Logopädie, denn ich wollte, dass sie richtig sprechen lernt und nicht falsch spricht, weil ich nicht richtig höre.

Dann kam die Kindergartenzeit und am ersten Elternabend hoffte ich, dass mich keiner bittet, das Protokoll zu schreiben. Denn wie sollst du etwas aufschreiben, was du nicht hörst?

Aber Erzieherinnen haben etwas Tolles an sich, meistens sprechen sie recht deutlich, damit es die Kinder es richtig lernen. Aber schnell wurde klar, im Elterncafé verstehe ich nichts…

Auch diese „In-der-Tür-Gespräche“, die waren nichts für mich…

Aber zum Glück gab es wegen jedem Ausflug oder Ereignis einen Zettel oder eine Email an mich.

Die Zeit in der Grundschule würde den Beitrag und den Blog sprengen, nur so viel dazu, es war hart, sehr hart. Mittlerweile sind wir auf einer IGS, und diesmal habe ich beim ersten Gespräch angesprochen, dass ich schwerhörig bin. Und ich bin auf offene Ohren und Arme getroffen. Bei der am Anfang meines Beitrags erzählten Einschulung saß noch ein Kind mit Ersatzteilen im Publikum, diese Schule macht Mut.

Während ich nun versuche hier zum Ende zu kommen und den „Rahmen“ nicht ganz zu sprengen, hoffe ich, dass ihr mir folgen konntet und mich etwas versteht. Falls Ihr mehr von mir und meinen Ersatzteilen lesen mögt, dann schaut doch mal auf Instagram auf
https://www.instagram.com/_kieselstein_/ vorbei .

Danke, Katja, dass du mir die Möglichkeit für diesen Gastbeitrag gegeben hast.

Kati von kieselstein
 
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 Ich danke Dir ganz herzlich für Deinen berührenden Gastbeitrag, liebe Kati! Du hast mir nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren geöffnet und hoffentlich auch ganz vielen meiner Leserinnen und Leser!
 
Und Ihr, Ihr Lieben, habt Ihr auch schon mal Erfahrungen mit Schwerhörigkeit und Hörgeräten gemacht, in Eurer Umgebung oder vielleicht sogar als Eltern? Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mir Eure Gedanken, Ansichten und Anregungen dazu in die Kommentare schreibt!
 
Ahoi und achtet aufeinander
 
Eure Küstenmami
 
 
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2 Kommentare :

  1. Ich habe auch Kinder, habe meine Hörgeräte aber erst bekommen, als sie schon erwachsen waren. Nach dem, was ich lese, ist mein Hörvermögen etwas besser. Meine "Ersatzteile" sind für andere nicht sichtbar, weil meine Haare sie verdecken. Was ich aber ebenfalls kenne, sind die Reaktionen anderer auf meine Gehbehinderung, die ich schon mein Leben lang habe. Sie sind denen, die in diesem Beitrag beschrieben werden, sehr ähnlich. Manche Menschen scheinen zu glauben, es handele sich um eine ansteckende Krankheit. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen: Das Verhalten der Mitmenschen ändert sich, wenn man mit seinen Einschränkungen offensiv umgeht. Gern auch mal unfreundlich, wenn sich das Brett vor dem Kopf des Gegenübers nicht anders durchdringen lässt. Wenn ich z. B. durch eine gut besuchte Bahnhofshalle gehe und wahrnehme, dass Menschen wie Dampfwalzen durch die Menge pflügen, kann ich sehr kratzbürstig werden, bevor mich jemand über den Haufen rennt: "Hey, kannst du mal aufpassen?" Manchmal ist die Reaktion der Leute dann so, als hätte man sie geweckt.In der Regel gilt: Nicht diejenigen sind schuld an unbefriedigenden Situationen, die eine Behinderung haben, sondern ihre Umwelt. Durch menschliche oder auch bauliche Probleme, die nicht ausgeräumt werden; je nachdem. Aber der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis ist Kommunikation, immer und immer wieder. Auch, wenn es mal anstrengend werden kann. LG und alles Gute, Ina

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  2. Hallo Ina
    Ich danke dir für dein Kommentar, ja mit egal welcher Behinderung ist die Umwelt drum herum Kommunikation und Verständnis extrem wichtig. Leider fällt mir persönlich es sehr schwer damit so offen umzugehen
    Liebe Grüße Kati von kieselstein

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