Montag, 28. Januar 2019

Unter dem Meer. Von meiner Fehlgeburt, dem Verdrängen und den Gefühlen unter Wasser (2)

Unter dem Meer. Von meiner Fehlgeburt, dem Verdrängen und den Gefühlen unter Wasser (2). Auf Küstenkidsunterwegs beschreibe ich, wie ich mich nach dem erneuten Verlust unseres Sternenkinds gefühlt habe und weshalb ich quasi abgetaucht bin  und nicht darüber sprechen konnte.

Moin, Ihr Lieben,

vor kurzem hatte ich Euch ja schon von unserer erneuten Fehlgeburt berichtet und erzählt, warum ich zuerst nicht darüber sprechen bzw. schreiben konnte. Jetzt, nach ein paar Tagen, merke ich, wie das Verdrängen wieder droht mich einzuholen, denn die Trauer und die Sehnsucht nach unserem verlorenen Sternenkind zehren an mir und kosten mich total viel Kraft.
 
Deshalb schreibe ich schnell weiter, bevor ich es nicht mehr kann...

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Unter dem Meer. Von meiner Fehlgeburt, dem Verdrängen und den Gefühlen unter Wasser (2). Auf Küstenkidsunterwegs beschreibe ich, wie ich mich nach dem erneuten Verlust unseres Sternenkinds gefühlt habe und weshalb ich quasi abgetaucht bin  und nicht darüber sprechen konnte.

Unter dem Meer. Von meiner Fehlgeburt, dem Verdrängen und den Gefühlen unter Wasser (2)

Das Verdrängen und die Metapher des Meeres

In meinem ersten Blogpost zu unserer wiederholten Fehlgeburt habe ich das Abtauchen ins Verdrängen bereits mit dem Abtauchen ins Meer verglichen; einem Hinabgleiten in die dunklen Tiefen, wo kein Kummer, kein Schmerz und keine Verzweiflung mich erreichen können.

Doch wie fühlt sich das an - dieses Wegtauchen, Entziehen, Abwehren und Untergehen? Hilft es - oder bewirkt es gar das Gegenteil? Wie fühlt man sich unter Wasser? Und kommt man aus den Tiefen wieder nach oben, gibt es ein Ende des Schweigens? Oder bleibe ich für immer unter Wasser?

Indem ich die Metapher des Meeres verwende und den folgenden, eher literarischen Text mit Euch teile, möchte ich zeigen, wie man sich in so einer Situation fühlt bzw. fühlen kann und wie ich mich teilweise immer noch fühle. Das Geschriebene soll zudem verständlich machen, weshalb die Gefühle, die einen schützen, einen auch nach unten drücken bzw. unter Wasser halten und es so schwer machen, aus den Tiefen des Verdrängens und dem Meer des Schweigens wieder aufzutauchen.

Die ersten Bruchstücke davon sind bereits im Herbst entstanden, doch dann konnte ich nicht weiterschreiben. Deshalb ist der Text so fragmentiert und wirkt vielleicht auch sperrig; ich hoffe, Ihr versteht trotzdem, was ich meine:

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Unter dem Meer. Von meiner Fehlgeburt, dem Verdrängen und den Gefühlen unter Wasser (2). Dieser Text ist eher literarisch und benutzt die Metapher des Meeres.

Unter dem Meer
 
Als ich nicht mehr kann, lasse ich mich ins Meer fallen. Ich tauche tief hinunter ins Blau. Hier unten ist es kühl, und dennoch fühle ich mich geborgen in all dem Nass. Hier sieht mich niemand und auch ich, ich sehe nur wenig. Ich spüre auch kaum noch etwas, doch deshalb bin ich ja hier. Bin abgetaucht aus dem Wellengemenge, abgetaucht aus dem wilden Wetter, fort aus den aufgewühlten Wogen, fort, nur fort, weit weg, versunken im tiefen Blau.

Das Meer hüllt mich ein, das Meer schützt mich. Es trägt mich und dämpft alles. Hier muss ich nichts tun, hier muss ich nichts fühlen. Hier ist es still, so still. Niemand schreit, auch ich nicht, niemand weint, denn das hätte keinen Zweck unter Wasser, niemand kann mir weh tun, denn ich spüre nichts, fast nichts.

Ich bin allein, ganz allein. Niemand ist bei mir, doch hier im Wasser ist das logisch; wer könnte das schon teilen mit mir, dieses ruhige, wunderbare, grausame, tödliche Blau?

Ich könnte es auch nicht aushalten, die Geräusche, den Krach, das Mitleid, den Schmerz. Deshalb bin ich ja abgetaucht, fort von Sprache, fort von Verständnis und allem was mir weh tun könnte. Fort vom Schmerz.

Den Schmerz vermeiden um jeden Preis, denn alles tut schon so weh. Noch mehr geht nicht, geht gar nicht. Hier schwebe ich im Wasser, bin leicht und schwer zugleich. Muss nichts sagen, nichts tun. Muss nicht atmen, nichts entscheiden.

Das Wasser ist mein Schutz. Kann ich hier bleiben, kann ich hier existieren? Ich weiß es nicht. Muss ich etwas wissen? Ich weiß schon zu viel, es hat alles nichts geholfen. Jetzt weiß ich nicht weiter, aber vielleicht muss ich das auch gar nicht.

Bitte zieht nicht an mir. Dies ist meine Zuflucht, dies ist mein Schutz. Wenn ich wieder kann, werde ich sehen, ob es weitergeht, wie es weitergeht. Wenn ich wieder will, werde ich wieder atmen, leben, weinen, ja, vielleicht auch weinen. Vielleicht auch trauern, schreien, sprechen, schreiben und wieder trauern.

Doch unter Wasser hat das keinen Zweck. Ich bin noch nicht so weit. Bitte lasst es mir noch ein bisschen, lasst mir meinen Schutz, lasst mich einfach.

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Ach, Ihr Lieben, während ich das schreibe, fühlt sich alles in mir schwer und wund an - und vielleicht wird es langsam nachvollziehbar, warum ich verdrängt habe, warum so viele verdrängen... Gefühle sind nicht leicht, in diesem Fall schon gar nicht. Könnt Ihr mich verstehen? Und falls Ihr ähnliches erlebt habt, z.B. auch eine Fehlgeburt oder einen schweren Verlust - wie habt Ihr Euch da gefühlt? 

Grüße von ganz unten

Eure Küstenmami

 
PS: Weitere Texte zum Thema "Fehlgeburt" findet Ihr in meiner Rubrik Sternenkinder. Es gibt auch einen ausführlichen Blogpost mit Informations- und Unterstützungsangeboten für betroffene Eltern und Angehörige. Ihr seid nicht allein!

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8 Kommentare :

  1. Oh ich kann dich sehr gut verstehen,, zwar ist mein Erlebnis nicht so schlimm wie deins , aber ich leide immer noch darunter und fühle mich immer wieder schuldig und dann kommen immer wieder diese schlechten Erinnerungen aus meiner Kindheit hervor.
    Ich habe fast 2 mal mein Sohn in der Schwangerschaft verloren auch wenn wir gekämpft haben und er fast gesund auf die Welt gekommen ist tut es immer wieder weh. Ich mache mir Vorwürfe ob ich Schuld bin obwohl alle Ärzte sagen nein ,,, Das Wasser tat mir auch sehr gut ,, ich konnte eine zeitlang nicht schwimmen gehen ,, Wasser war immer für mich immer Freiheit doch ich konnte sie nicht ertragen
    Ich habe vor ca 15 Jahren eine Therapie angefangen und langsam kann ich reden und fühlen , mich nicht mehr so hassen . Das Wasser kann ich zwar immer noch nicht sehr gut genießen aber langsam tut es mir gut. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und versuche wenn es geht deine Traurigkeit nicht runter zu schlucken sondern lebe sie .
    Liebe grüße

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    1. Vielen Dank, Du Liebe, das werde ich auf jeden Fall versuchen! Ich finde es total bewundernswert, wie Du Dich Deinem Kummer stellst!

      Viele liebe Grüße
      Deine Küstenmami

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  2. Ich kenne das wohl auch.
    Unserer Großen haben wir mal erzählt, dass sie nicht unser 1. Kind ist, sondern unsere eigentlich Zweite. Ab und an scheint sie darüber nachzudenken, wie es wäre, noch ein Geschwister zu haben. Uns schmerzt es dann manchmal auch wieder, obwohl unser Stern heute schon 20 Jahre alt wäre... Meinem Mann fällt es sehr schwer diese Gefühle zuzulassen. Ganz manchmal spielen wir manches durch, unsere Große und ich... Was das Kind nun mag oder welche Schule es besucht hätte...

    Ich wünsche Dir und Euch ganz viel Kraft, gute Zeiten miteinander, lasst Euch durchpusten am Meer, taucht ruhig ein in das Meeresrauschen.
    Wer abtaucht, sollte zwischendurch auch mal auftauchen zum Luft holen. - Ähnlich wie Du nun mit diesen Beiträgen.

    Alles Liebe und Gute Euch!

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    1. Ach ja, eigentlich bräuchte ich dringend etwas Luft und tue auch schon viel, um an die Wasseroberfläche zurück zu kehren. So langsam wird es besser, doch das alles kostet schrecklich viel Kraft.

      Danke für Deine lieben Wünsche und herzliche Grüße
      Deine Küstenmami

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  3. Ach Herrje... erst jetzt lese ich von deinem Verlust. Lass dich ganz feste drücken.
    Du hast damals meine Geschichte verfolgt. Als es mir schlecht ging, wollte ich immer in eine Höhle kriechen. Ähnlich wie du „abtauchen“ und die Gefühle abstellen. Das ist eine gute Erste-Hilfe-Reaktion. Erst nach und nach in ertragbaren Dosen den Schmerz zulassen und abheilen lassen. Alles braucht seine Zeit.
    Ich wünsche dir ganz viel Kraft für dich und für euch als Familie.
    Deine Hanni

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    1. Ja, das mit der Zeit stimmt auf jeden Fall, und vielleicht ist meine langsman gekommen - zum Auftauchen, meine ich. Danke für Deinen lieben Kommentar und liebe Grüße!

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  4. Während meiner Zeit in Zentralafrika war ich beeindruckt, wie die Frauen dort mit Fehlgeburten umgehen. Dort rechnet man bei 10 Kindern mit ca 3-4 Fehlgeburten. Die Muschelkinder, wie man sie da nennt, werden betrauert und beerdigt. In eine speziellen Zeremonie. Danach folgt das Fest der Fruchtbarkeit mit viel Gesang und Tanz. Ich habe das sehr bewundert. Diese natürliche Einstellung zu Leben und Tod. In unseren Breitengraden brauchen Frauen jahrelang danach noch psychologische Hilfe.

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    1. Ich glaube, dass eine Beerdigung und Zeremonien, wie Du sie beschrieben hast, helfen, weil die Kinder und die Frauen dann gesehen und anerkannt werden. Fehlgeburten sollten kein Tabu-Thema sein!

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