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Donnerstag, 14. März 2019

Chronisch traurig (Gastbeitrag)

Chronisch traurig (Gastbeitrag). In ihrem bewegenden Text schreibt Maike von dankeaberichmachdasanders über die Trauer nach dem Tod ihrer Tochter, die im Alter von 8 Jahren an Krebs gestorben ist.
(Bildrechte: dankeaberichmachdasanders)
 
Moin, Ihr Lieben!
 
Wie Ihr ja wisst, bewegt mich das Thema "Sternenkinder" sehr, weil wir gleich mehrere Fehlgeburten hatten und erst im letzten Herbst wieder ein geliebtes Kind in der Schwangerschaft gehen lassen mussten. Maike von dankeaberichmachdasanders hat ebenfalls ihr Kind verloren, jedoch auf eine ganz andere Art und Weise.
 
In ihrem berührenden Gastbeitrag schreibt sie heute über die Trauer um ihre Tochter, die ein ständiger Begleiter in ihrem Leben geworden ist:
 
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Chronisch traurig (Gastbeitrag). In ihrem bewegenden Text schreibt Maike von dankeaberichmachdasanders über die Trauer nach dem Tod ihrer Tochter, die im Alter von 8 Jahren an Krebs gestorben ist.
(Bildrechte: dankeaberichmachdasanders)
 
Chronisch traurig
 
Die Trauer mitten im Leben: dankeaberichmachsasanders
 
Trauer kann viele Gesichter haben, Trauer ist für jeden Menschen anders. Und doch tut es manchmal gut zu hören, wie andere ihre Trauer erleben, wie sie damit umgehen und inwieweit die Trauer ihren Alltag und ihr Leben bestimmt. Seit wir unsere Sternenkinder verloren haben, ist die Trauer ein Teil von mir; manchmal glaube ich, sie wird ein Leben lang bleiben, genau wie die Liebe zu unseren verlorenen Babys.
 
Ähnlich und doch ganz anders geht es Maike, die unter dankeaberichmachdasanders auf ihrem Youtube Kanal und auf Instagram zusammen mit ihrem Partner Nils über die Trauer um ihre Tochter spricht und schreibt, die im Alter von 8 Jahren an Krebs gestorben ist. Maike und Nils haben sie bis zuletzt begleitet - außerhalb des Krankenhauses. Mit ihren aussagekräftigen Texten und Hashtags wie #krebsistkrassliebeistkrasser und #weilliebenichtstirbt inspirieren sie mich immer wieder aufs Neue, mich meiner Trauer zu stellen und dabei mitten im Leben nicht nur zu stehen, sondern manchmal auch zu tanzen.

 Ich danke Euch von Herzen dafür, ebenso wie Dir, Maike, für Deinen bewegenden Gastbeitrag:

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Chronisch traurig (Gastbeitrag). In ihrem bewegenden Text schreibt Maike von dankeaberichmachdasanders über die Trauer nach dem Tod ihrer Tochter, die im Alter von 8 Jahren an Krebs gestorben ist.
(Bildrechte: dankeaberichmachdasanders)
 
Chronisch traurig

Seit unsere zauberhafte Zaubermaus vor 14 Monaten im Alter von 8 Jahren verstarb, standen wir mit unserer Trauer, wie mit einem Koffer an einem leeren Bahnsteig, dem abfahrenden Zug unseres alten Lebens hinterherblickend.

Und mit den Monaten zog ein neuer Alltag ein und überzog den Koffer voller Traurigkeit mit einer hauchdünnen Staubschicht.

„Bist Du schon drüber weg?“ fragt ein Kollege mich heute und ich muss unwillkürlich an den Staub auf dem Koffer, als Zeichen seiner Beständigkeit denken, denn er wird nicht gehen. Die Trauer wird bleiben und mit der Erkenntnis, dass Trauer uns oft viel zu fremd ist, fallen folgende Gedanken durch meine Fantasie:

Trauer als chronischer Zustand lebensfroher Menschen

Wie ein Tattoo, das durch jeden Pulsschlag erwärmt Dein Leben begleitet, begleitet die Trauer das meine. Wie die Zeichnung eines Gefühls auf meinem Leben, mit der ich plötzlich und ungewollte erwachte, als wäre sie eine herzförmige Jugendsünde, die nach einer durchsoffenen Kneipennacht plötzlich meine Schulter ziert.

Die Zeichnung mag sich verändern, mit den Jahren Falten werfen und an den Rändern etwas verblassen. Und wie das Bild auf meiner alternden Haut, das durch die Jahre an Schärfe verliert, wechselt auch die Trauer ihre Präsenz im Spiegelbild. Frisch gestochen, wund und offen gilt ihr jeder Blick in der Reflektion des Selbstbildes. Mit der Zeit erhalten ihre Narben einen festen Platz in mir und beim Anblick des Spiegelbildes fesseln sie nicht mehr alleinig meinen Blick.

Das Bild, mit dem die Trauer mich gezeichnet hat, es ist nur meinen Augen vorbehalten.

Und anders, als all die bunten Zeichnungen auf meiner Haut braucht dieses vom Leben gezeichnete Motiv Schutz und Raum, möchte von mir angesehen und behutsam behandelt werden. Fordert Platz für Tränen, um verständnisvoll auch einem Lächeln zu weichen, möchte unangekündigt hineinplatzen, möchte ernst genommen und integriert, nicht abgeschirmt und kleingeredet werden. Möchte an meinem Leben teilnehmen und verspricht mich ohne die Option von Untreue bei jedem Atemzug zu begleiten.

Und mit dem Verlust meiner Tochter versprach die Trauer niemals verloren zu gehen, denn sie ist ein Teil der Liebe und wer liebt, der trauert, und wer trauert, der liebt.

Und wenn ich, mitten im Leben auf einem Discounterparkplatz im banalsten Alltagstrott den Blick zufällig gen Himmel richte, dann ist da dieses Gefühl von unendlich schwerer Leichtigkeit, das nach tränengesalzenen Sonnenstrahlen schmeckt und mich zwischen der Liebe zu und der Trauer um mein Kind in einer seltsam merkwürdigen Balance hält.

Dann stehe ich dort mit dem Klang Deines Lachens im Ohr, dem Gefühl Deiner Umarmung auf meiner Haut und balanciere zwischen der Verzweiflung des Verlustes und der Freude über jede Erinnerung. Ohne doppelten Boden, ohne Sicherungsseil übe ich mich jedem Tag in meiner Balance und wenn es zu schwer wird, das Zittern meines Lebens alles zu sehr ins Wanken bringt – einfach fallen lassen.

In Trauer zu fallen kommt keinem Abgrund gleich, denn sie ist in all ihrer Grausamkeit aus Liebe gemacht und vertrauenswürdiger als sie erscheinen mag. Sie nimmt mich an, ohne zu verurteilen, verbannt alle Termine und Do-Listen aus ihrer Welt, lässt Elternsprechtage und auf Basarlisten versprochene Erdbeerkuchen mit einem kalten Lächeln in Irrelevanz verschwinden und schirmt mich ab von allen Alltagsanforderungen, die sich ihr in den Weg stellen. Ihre Macht ist groß, ihr Bann ist stark und doch spüre ich da eine Güte in ihrem Kern, eine Fürsorge in ihrem Sog. Und wenn sie mich ausgeheult und erschöpft zurück in den Alltag spuckt, dann bin ich freier, sogar stärker als zuvor.

Denn sie ist vertrauenswürdig und beaufsichtigt meine schweren Momente für mich, während ich durch dieses Leben balanciere. Sie sind ein Teil von mir, all die schweren Stunden, die tiefsten Gefühle und die schwärzesten Tage, sie sind Teil der Zeichnung, jeden von ihnen erkenne ich darin. Und während Du mich lebendig lächelnd meinen Drahtseilakt gestalten siehst, sind sie da, die Zeichnungen von Trauer in all ihren Facetten, aber nicht immer zum Teilen bereit.

Wenn die Narben brennen, die feinen Linien des Bildes durch alltägliche Verletzungen sich erneut eröffnen, ist Trauern manchmal die lindernde Arnicasalbe auf meiner Haut, denn Trauer ist der Seelenraum, der immer geöffnet ist, an dessen Tür ich niemals Ablehnung erfahre, und mit der Zeit steigt ein Gefühl von Vertrautheit in mir auf, wenn ich müde vom Balanceakt meine Lasten in ihre Garderobe schmeiße und mich zum Verschnaufen und Verzweifeln bei ihr verkriechen darf. Gleich einer sich sorgenden Amme trocknet sie die Tränen und klopft mir den Staub von der Seele, bevor sie mich wieder in meine Alltagsakrobatik entlässt und wir beide wissen, wir werden uns wiedersehen.

Das Versprechen der Trauer, mich immer zu begleiten, wurde aus Liebe getroffen und zeichnet ein immerwährendes Tattoo in mein Inneres. Du kannst es nicht sehen und die Veränderungen nicht spüren und doch trage ich sie jeden Tag, balanciere durch meinen Alltag und verliere mit zuverlässiger Regelmäßigkeit mein Gleichgewicht.

Dieses Bild in meinem Inneren ist ein Teil von mir, meine Challenge und meine Geschichte und wenn es mich fordert, dann braucht mein Leben hin und wieder eine Prise Verständnis von Dir, egal wie lange ich schon traurig bin, egal wie banal es dir vorkommen mag, Traurigsein vergeht nicht, es wird ein Teil des Lebens.

Du kannst nicht verhindern, dass ich schwanke und manchmal mit dem Gleichgewicht ringe, aber vielleicht kannst Du jetzt verstehen, warum ich nicht immer funktioniere.

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Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Trauer gemacht? Falls Ihr ebenfalls ein Kind verloren habt, wie geht es Euch damit?
 
 Weitere Texte zu den Themen "Tod eines Kindes" und "Fehlgeburt" findet Ihr in meiner Rubrik Sternenkinder. Es gibt auch einen ausführlichen Blogpost mit Informations- und Unterstützungsangeboten für betroffene Eltern und Angehörige. Ihr seid nicht allein!
 
Ahoi, wir segeln gemeinsam!

Eure Küstenmami


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3 Kommentare:

  1. Was ein unglaublich toller Text. Das hat mich ziemlich mitgenommen emotional aber auf eine schöne Art und Weise. Danke für die Poesie in deinen Worten und die ehrlEhrlich. Liebe Grüße

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  2. Danke für diesen wahnsinnig ergreifenden und wunderschönen Text.
    Herzliche Grüße, Bine

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  3. Liebe Maike, das hast du wundervoll geschrieben. Danke für deine traurigtröstenden Worte.

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